Banken- und Kapitalmarktrecht

Bankenrecht: Anleger darf auf das Wort des Anlageberaters vertrauen

Ein Kapitalanleger handelt nicht grob fahrlässig, wenn er im Vertrauen auf eine mündliche Beratung schriftlichen Risikohinweisen im Anlageprospekt nicht nachgeht und auf ihre Richtigkeit überprüft.

Ein Anleger verkennt einen Beratungsfehler des Anlageberaters nicht grob fahrlässig, wenn er die im Zeichnungsschein enthaltenen pauschalen Hinweise auf eine „nicht mündelsichere Kapitalanlage“ und im Anlageprospekt abgedruckte Risikohinweise nicht zum Anlass genommen hat, die mündlichen Empfehlungen und Informationen des Anlageberaters zu hinterfragen und auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.

Der Sachverhalt

Im März 2004 beteiligte sich die seinerzeit 19 Jahre alte, erwerbslose Klägerin nach Beratung und auf Empfehlung des Beklagten, einem im Landgerichtsbezirk Hagen ansässigen selbständigen Finanzdienstleister, an einem geschlossenen Leasingfonds, der als sog. „blind Pool“ ausgestaltet und als „Steuersparmodell“ insbesondere auf die Erzielung hoher steuerlicher Verlustzuweisungen ausgerichtet war.

Die Klägerin hatte den angelegten Geldbetrag in Höhe von 50.000 € nach dem Tode ihrer Eltern geerbt und wollte diesen für die Zukunft gut und sicher angelegt wissen. Die Kapitalanlage führte zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Die Klägerin hat Prozesskostenhilfe für eine im Jahr 2012 gegen den Beklagten erhobene Schadensersatzklage begehrt. Dieser habe ihr – so die Klägerin – die Beteiligung als sichere Kapitalanlage empfohlen und auf Risiken nicht hingewiesen. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und gemeint, angesichts der im Jahre 2004 durchgeführten Beratung sei die dreijährige Verjährungsfrist bei Klageerhebung vollendet gewesen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm

Der 34. Zivilsenat hat der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt. Von einer Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs sei nicht auszugehen. Dass die Klägerin die Hinweise im Zeichnungsschein nicht zum Anlass genommen habe, die von ihr behauptete Falschberatung des Beklagten zu hinterfragen, rechtfertige nicht den Vorwurf einer den Beginn der Verjährungsfrist nach §[nbsp]199[nbsp]Abs. 1 Nr. 2 BGB auslösenden grob fahrlässigen Unkenntnis.

Die pauschalen Hinweise im Zeichnungsschein seien schon für sich genommen inhaltlich wenig aussagekräftig und insgesamt nicht geeignet, einem „durchschnittlichen Anleger“, geschweige denn einem unerfahrenen Anleger wie der Klägerin, die Anlagerisiken verständlich vor Augen zu führen.

Anleger darf auf das gesprochene Wort vertrauen

Abgesehen davon habe es im Streitfall bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass ein Anleger im Allgemeinen auf das gesprochene Wort seines Beraters vertrauen dürfe. Anderenfalls bliebe außer Acht, dass der Anleger bei seiner Anlageentscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder Vermittlers in Anspruch nehme und daher dessen Ratschlägen und Auskünften, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreite, besonderes Gewicht beimesse. In diesem Fall sei es auch dann nicht als grob fahrlässig anzusehen, wenn der Anleger bei gründlicher Lektüre des Zeichnungsscheins hätte erkennen können, dass die angeblich sichere Anlage wohlmöglich vom Berater ungenannte oder durch mündliche Erklärungen „verwässerte“ Risiken in sich trage, ein Studium des Zeichnungsscheins aber gerade im Vertrauen auf die Richtigkeit der Erklärungen des Beraters unterblieben sei.

Nach summarischer Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren hat der 34. Zivilsenat dem Prozesskostenhilfegesuch auch im Übrigen hinreichende Erfolgsaussichten zuerkannt. Nach dem Vorbringen der Klägerin spreche viel dafür, dass diese zum einen nicht ordnungsgemäß über die Risiken und Eigenschaften der streitgegenständlichen Kapitalanlage informiert und ihr zum anderen mit dem in Rede stehenden Fonds eine Geldanlage empfohlen worden sei, die weder zu ihren Anlagezielen und ihrem Anlagehorizont noch zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gepasst habe.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 03.01.2013 – I-34 W 173/12

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 29.01.2013

Banken- und Kapitalmarktrecht

Bankenrecht: Keine Widerruflichkeit des Erwerbs von „Lehman-Zertifikaten“ im Fernabsatz

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat heute in zwei Fällen entschieden, dass Anleger, die insbesondere „Lehman-Zertifikate“ per Telefon oder E-Mail erworben haben, ihre auf Abschluss der Erwerbsverträge mit der Bank gerichtete Willenserklärung nicht nach den Regeln über den Fernabsatz widerrufen können.

In beiden Fällen erwarben die Anleger von derselben beklagten Bank – in der Sache XI ZR 439/11 zusammen mit weiteren Finanzprodukten anderer Emittenten – jeweils „Global Champion“-Zertifikate. Hierbei handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen der niederländischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., deren Rückzahlung von der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert wurde.

In der Sache XI ZR 384/11 erteilten die Klägerin und ihr Ehemann aufgrund eines mit einem Mitarbeiter der Beklagten geführten Beratungsgesprächs am 8. Februar 2007 den Auftrag zum Kauf von 16 Zertifikaten, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob das Verkaufsgespräch ganz oder teilweise telefonisch erfolgte. Das Geschäft wurde von der Beklagten im Eigenhandel zu einem Festpreis ausgeführt. Nach der Insolvenz der Emittentin und der Garantin wurden die Zertifikate weitgehend wertlos. Im Februar 2010 erklärten die Eheleute den Widerruf aller von ihnen im Zusammenhang mit dem Kauf abgegebenen Erklärungen. Mit der in beiden Vorinstanzen erfolglosen Klage verlangt die Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes im Wesentlichen die Rückzahlung des Anlagebetrages von 16.069,60 € nebst Zinsen abzüglich einer Bonuszahlung.

In der Sache XI ZR 439/11 erwarb der Ehemann der Klägerin auf Empfehlung von Mitarbeitern der beklagten Bank teilweise aufgrund von Telefonaten und teilweise per E-Mail verschiedene Zertifikate – darunter auch „Global Champion“-Zertifikate – sowie Anteile eines u.a. in Zertifikate investierenden Fonds. Im Juli 2011 widerrief der Zedent sämtliche Vertragserklärungen gegenüber der beklagten Bank. Mit der ebenfalls in beiden Vorinstanzen erfolglosen Klage begehrt die Klägerin aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes zuletzt noch die Rückerstattung verlorener Anlagebeträge in Höhe von 72.394,37 €.

Der XI. Zivilsenat hat die von den Berufungsgerichten zugelassenen Revisionen der Klägerinnen zurückgewiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen für seine Entscheidung maßgeblich:

Nach § 312d Abs.4 Nr.6 BGB kann eine auf Abschluss eines Fernabsatzvertrages gerichtete Willenserklärung dann nicht widerrufen werden, wenn Gegenstand des Vertrages die Verschaffung von Finanzdienstleistungen ist, deren „Preis“ innerhalb der Widerrufsfrist – dem Einfluss des Unternehmers, hier der Bank, entzogenen – Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt. Dabei ist der Begriff des Preises nach der Systematik und der Gesetzgebungsgeschichte weit zu verstehen. „Preis“ ist nicht nur ein Börsen- oder Marktpreis, der für das Produkt selbst auf dem Finanzmarkt gezahlt wird. „Preis“ im Sinne des § 312d Abs.4 Nr.6 BGB können vielmehr auch die Parameter sein, von denen der Wert des Finanzprodukts abhängt.

So sollten etwa Bonuszahlungen und die Rückzahlung der „Lehman-Zertifikate“ in Abhängigkeit von der Entwicklung dreier Aktienindizes (Dow Jones EuroSTOXX 50, Standard [&] Poor´s 500 sowie Nikkei 225) während dreier aufeinander folgender Beobachtungszeiträume ab dem 7.Februar 2007 erfolgen. Entsprechend hing der innere Wert der Zertifikate mit Beginn der Beobachtungszeiträume von Parametern („Basiswerten“ oder „Underlyings“), nämlich der Entwicklung der drei Aktienindizes, ab, die von der beklagten Bank nicht beeinflussbaren Schwankungen auf den Finanzmärkten unterworfen waren.

Der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312d Abs.4 Nr.6 BGB bei dem Erwerb solcher Papiere soll das Risiko eines wenigstens mittelbar finanzmarktbezogen spekulativen Geschäfts mit seinem Abschluss in gleicher Weise auf beide Parteien verteilen. Der Anleger, der wie in den entschiedenen Fällen zugleich Verbraucher ist, soll einen drohenden Verlust aufgrund fallender Basiswerte innerhalb der Widerrufsfrist nicht durch Ausübung des Widerrufsrechts auf den Unternehmer abwälzen können.

Weil ein Widerrufsrecht schon nach § 312d Abs. 4 Nr.6 BGB nicht in Betracht kam, konnte das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eines Fernabsatzvertrages dahinstehen.

Urteil vom 27. November 2012 – XI ZR 384/11

LG Mönchengladbach – Urteil vom 1. Juni 2010 – 3 O 328/09

OLG Düsseldorf – Urteil vom 22. Juli 2011 – I-17 U 117/10

ZIP 2012, 419 ff.

und

Urteil vom 27. November 2012 – XI ZR 439/11

LG Mannheim – Urteil vom 7. April 2010 – 8 O 282/09

OLG Karlsruhe – Urteil vom 13. September 2011 – 17 U 104/10

WM 2012, 213 ff.

Karlsruhe, den 27. November 2012

* § 312b BGB (Auszug)

Fernabsatzverträge

(1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Finanzdienstleistungen im Sinne des Satzes 1 sind Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung.

(2) …

** § 312d BGB (Auszug)

Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen

(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356 eingeräumt werden.

(2) …

(4) Das Widerrufsrecht besteht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen

1. …

6. die die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen zum Gegenstand haben, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteilsscheinen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, und anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten oder

7.…“

Pressemitteilung des BGH vom 28.11.2012

Banken- und Kapitalmarktrecht

Bankenrecht: Höhere Kontoführungsgebühren für P-Konten unwirksam

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei parallel gelagerten Revisionsverfahren entschieden, dass die im Preis- und Leistungsverzeichnis eines Kreditinstituts enthaltene Bestimmung über die Kontoführungsgebühr für ein Pfändungsschutzkonto (kurz: P-Konto) im Verkehr mit Verbrauchern in der Regel unwirksam ist, wenn der Kunde danach – bei Umwandlung seines schon bestehenden Girokontos in ein P-Konto – ein über der für dieses Girokonto zuvor vereinbarten Kontoführungsgebühr liegendes Entgelt zu zahlen hat oder wenn das Kreditinstitut – bei der Neueinrichtung eines P-Kontos – ein Entgelt verlangt, das über der Kontoführungsgebühr für ein Neukunden üblicherweise als Gehaltskonto angebotenes Standardkonto mit vergleichbarem Leistungsinhalt liegt.

Mit dem am 1. Juli 2010 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes hat der Gesetzgeber die Verbesserung des Pfändungsschutzes für Girokonten bezweckt und hierzu insbesondere das in § 850k ZPO* geregelte Pfändungsschutzkonto eingeführt. Danach können der Kunde und das Kreditinstitut vereinbaren, dass ein schon bestehendes oder ein neu eingerichtetes Girokonto als P-Konto geführt wird. Zur Führung eines bestehenden Girokontos als P-Konto ist das Kreditinstitut auf Verlangen des Kunden verpflichtet. Auf diesem P-Konto erhält der Kunde in Höhe seines Pfändungsfreibetrages einen Basispfändungsschutz. Wird das Guthaben auf dem P-Konto gepfändet, kann der Kunde hierüber bis zur Höhe des monatlichen Pfändungsfreibetrages frei verfügen. Damit sollen ihm ohne aufwändiges gerichtliches Verfahren die Geldmittel verbleiben, die er für den existentiellen Lebensbedarf benötigt.

In beiden heute verhandelten Verfahren machen die klagenden Verbraucherschutzvereinigungen gegenüber den Beklagten – zwei Sparkassen – im Wege der Unterlassungsklage die Unwirksamkeit der in den jeweiligen Preis- und Leistungsverzeichnissen der Beklagten enthaltenen Klauseln über die Kontoführungsgebühr für ein P-Konto geltend, weil den Kunden hierdurch für die Führung eines P-Kontos höhere Kontoführungsgebühren als für das schon bestehende bzw. für ein neu eingerichtetes Girokonto abverlangt würden.

Im Verfahren XI ZR 500/11 lautet die von der dortigen Beklagten verwendete Klausel wie folgt:

„P-Konto (Pfändungsschutzkonto)

Grundpreis monatlich 10 €

Restliche Preise analog Giro-Ideal.“

Die Beklagte bietet mehrere Preismodelle für Girokonten von Privatkunden an. So beträgt der Grundpreis für das in der vorgenannten Klausel in Bezug genommene Modell „Giro-Ideal“ monatlich 3 €; für einzelne Geschäftsvorfälle werden zusätzliche Postenpreise erhoben. Bei dem Modell „Giro-Balance“ wird der Kunde im Falle der Einhaltung eines Durchschnittsguthabens von 1.250 € vom monatlichen Grundpreis freigestellt; bei Unterschreitung dieses Guthabens werden monatlich 10 € verlangt. Eine zusätzliche Vergütung fällt bei diesem Preismodell nur für den Ausfüllservice für Eil- und telefonische Überweisungen an. Letzteres gilt auch für das Preismodell „Giro-Live“, dessen Grundpreis monatlich 3 € beträgt.

Im Verfahren XI ZR 145/12 hat die angegriffene Klausel folgenden Inhalt:

„1.4 Kontoführung Pfändungsschutzkonto

monatlicher Pauschalpreis 7,50 EUR“.

Zusätzlich werden für bestimmte Geschäftsvorfälle Postenpreise erhoben. Die Beklagte dieses Verfahrens bietet ebenfalls verschiedene Preismodelle für Privatkunden an. So beträgt der monatliche Pauschalpreis für das Kontomodell „Giro kompakt“ 6,75 € und für das Kontomodell „Giro standard“ 4 €, wobei ein Neuabschluss für diese – von Altkunden weiterhin genutzten – Kontomodelle nicht mehr möglich ist. Die Kontoführung für das aktuell angebotene Kontomodell „Giroflexx“ beträgt im Standardtarif 7,50 € monatlich; unter bestimmten Voraussetzungen wird dem Kunden ein Treuebonus gewährt.

In beiden Verfahren sind die Unterlassungsklagen in den Vorinstanzen erfolgreich gewesen. Die Revisionen der beklagten Sparkassen hat der XI. Zivilsenat jeweils zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Bei den beanstandeten Klauseln handelt es sich um sog. Preisnebenabreden, die der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB** unterliegen. Gemäß § 850k Abs. 7 ZPO wird „das Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt“, wenn das Kreditinstitut und der Kunde dies von vorneherein vereinbaren oder der Kunde dies später verlangt. Das P-Konto stellt daher keine besondere Kontoart gegenüber dem herkömmlichen Girokonto dar, sondern ihm liegt eine Nebenabrede zum Girovertrag zugrunde. Die mit der Funktion des P-Kontos verbundenen Tätigkeiten des Kreditinstituts sind Nebenleistungen, die zu den Hauptleistungen – der Führung des Girokontos und der Ausführung der Zahlungsvorgänge – hinzutreten und zu deren Vornahme das Kreditinstitut nach § 850k ZPO gesetzlich verpflichtet ist. Die streitigen Klauseln enthalten auch keine kontrollfreie Abrede über das Entgelt für eine zusätzliche, rechtlich nicht geregelte Sonderleistung der Beklagten. Vielmehr wälzen die Beklagten hierdurch Kosten für Tätigkeiten, zu deren Erbringung sie gemäß § 850k ZPO gesetzlich verpflichtet sind, auf ihre Kunden ab. Die beanstandeten Entgeltregelungen können schließlich auch nicht deshalb als – kontrollfreie – Preishauptabrede eingeordnet werden, weil es im Falle ihrer Unwirksamkeit an einer solchen Preisvereinbarung gänzlich fehlte. Wird ein vorhandenes Girokonto in ein P-Konto umgewandelt, ist fortgeltende Preishauptabrede die Preisvereinbarung für das schon bestehende Girokonto. Wird ein Girokonto sogleich als P-Konto neu eröffnet, ist entweder das Entgelt des Preismodells zugrunde zu legen, auf das ggf. in der Klausel über das P-Konto Bezug genommen wird (etwa in der Sache XI ZR 500/11 das Modell „Giro-Ideal“) oder aber – wenn eine solche Bezugnahme fehlt – der Preis, für den das betreffende Kreditinstitut ein herkömmliches Girokonto mit vergleichbarem Leistungsinhalt (ohne Pfändungsschutzfunktion) anbietet.

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle halten die streitigen Klauseln, wie die Berufungsgerichte jeweils in Übereinstimmung mit der nahezu einhelligen instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum zu Recht angenommen haben, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand. Die beanstandeten Regelungen benachteiligen die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil die Beklagten mit der Führung eines Girokontos als P-Konto lediglich eine ihnen durch § 850k Abs. 7 ZPO auferlegte gesetzliche Pflicht erfüllen, wofür sie nach allgemeinen Grundsätzen kein gesondertes Entgelt – hier in Form höherer Kontoführungsgebühren – verlangen dürfen. Das entspricht auch dem aus den Gesetzesmaterialien zum P-Konto ersichtlichen Willen des Gesetzgebers. Dass die Beklagten in beiden Streitfällen von Privatkunden für die Führung eines Girokontos als Pfändungsschutzkonto ein höheres Entgelt als für das bisher schon bestehende Girokonto bzw. als für ein neu eingerichtetes Girokonto (ohne Pfändungsschutzfunktion) verlangen, ergibt sich im Einzelnen aus einer Gegenüberstellung der jeweiligen Preise bzw. der preislichen Auswirkungen einer Kontoumstellung. Gründe, die die beanstandeten Klauseln nach Treu und Glauben gleichwohl als angemessen erscheinen lassen, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Urteil vom 13. November 2012 – XI ZR 500/11

OLG Nürnberg – Urteil vom 22. November 2011 – 3 U 1585/11

LG Nürnberg-Fürth – Urteil vom 12. Juli 2011 – 7 O 1516/11

und

Urteil vom 13. November 2012 – XI ZR 145/12

OLG Bremen – Urteil vom 23. März 2012 – 2 U 130/11

LG Bremen – Urteil vom 21. September 2011 – 1 O 737/11

Karlsruhe, den 13. November 2012

* § 850k ZPO (Auszug)

Pfändungsschutzkonto

(1) …

(7) In einem der Führung eines Girokontos zugrunde liegenden Vertrag können der Kunde, der eine natürliche Person ist, oder dessen gesetzlicher Vertreter und das Kreditinstitut vereinbaren, dass das Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Der Kunde kann jederzeit verlangen, dass das Kreditinstitut sein Girokonto als Pfändungsschutzkonto führt. Ist das Guthaben des Girokontos bereits gepfändet worden, so kann der Schuldner die Führung als Pfändungsschutzkonto zum Beginn des vierten auf seine Erklärung folgenden Geschäftstages verlangen.

(8) …

** § 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2.

wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

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