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Hier finden Sie aktuelle Beiträge und Urteile zu den Rechtsgebieten Arbeitsrecht, Erbrecht, Familienrecht, Mietrecht, Steuerrecht, Verkehrsrecht und Versicherungsrecht.
Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Altersbedingte Diskriminierung eines Stellenbewerbers

Sucht ein öffentlicher Arbeitgeber in einer an „Berufsanfänger“ gerichteten Stellenanzeige für ein Traineeprogramm „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ und lehnt er einen 36jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtschutzversicherung und als Rechtsanwalt ab, so ist dies ein Indiz für eine Benachteiligung dieses Bewerbers wegen seines Alters. Der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast dafür, dass ein solcher Verstoß nicht vorgelegen hat. Er darf sich darauf berufen, dass der Bewerber aufgrund seiner im Vergleich zu den Mitbewerbern schlechteren Examensnoten nicht in die eigentliche Bewerberauswahl einbezogen worden ist.

Die Beklagte -eine öffentlich-rechtliche Krankenhausträgerin- hatte Zeitungsinserate aufgegeben, in denen es ua. heißt: „Die C. hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen abzudecken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionells: Traineeprogramm an der C. Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm „C“ zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt.“

Der damals 36jährige Kläger, ein Volljurist mit mehrjähriger Berufserfahrung, erhielt auf seine Bewerbung eine Absage. Dies sah er als eine Benachteiligung wegen seines Alters an und verlangte von der Beklagten eine Entschädigung. Die Beklagte bestritt eine solche Diskriminierung und machte geltend, sie habe eine Auswahl nach den Examensnoten getroffen und nur diejenigen Bewerber in Betracht gezogen, die Examensnoten von gut oder sehr gut aufgewiesen hätten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Die Stellenausschreibung, die sich an Hochschulabsolventen/Young Professionells und an Berufsanfänger richtet, begründet ein Indiz für eine Benachteiligung des abgelehnten Klägers wegen dessen Alters. Dieses Indiz könnte die Beklagte widerlegen, wenn sie nur die Bewerber mit den besten Examensnoten in die Bewerberauswahl einbezogen hätte, weil sie als öffentliche Arbeitgeberin gemäß Art.33 Abs. 2 GG Stellen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber zu besetzen hatte. Da der Kläger eine solche Bewerberauswahl durch die Beklagte bestritten hatte, war die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
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Pressemitteilung des Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 24. Januar 2013 – 8 AZR 429/11 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.[nbsp]Januar 2011 – 9 Sa 1771/10 –

Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Sturz vom Apfelbaum auf „Stückle“ der pflegebedürftigen Mutter ist als Arbeitsunfall anzuerkennen

Der 59jährige Kläger bewirtschaftete für seine im Pflegeheim wohnende Mutter deren Streuobstwiesen (rund 60 Ar). Er erledigte sämtliche anfallende Arbeiten wie z.B. Mähen und Ernten. Die von ihm gepflückten Äpfel verwertete er zu Saft für den Eigenbedarf. Im Oktober 2009 stürzte er beim Äpfelpflücken vom Baum und brach sich sein rechtes Fersenbein. Anschließend war er rund 8 Monate arbeitsunfähig. Der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (LBG) meldete er den Arbeitsunfall erst im Juli 2010, nachdem sich dauerhafte Unfallfolgen abgezeichnet hatten (noch heute leidet er unter Schmerzen beim Gehen).

Die LBG lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab: Weder sei der Kläger als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes versichert gewesen. Insoweit komme es maßgeblich darauf an, dassGrundstückseigentümer nicht er, sondern seine Mutter sei. Noch habe er im landwirtschaftlichen Unternehmen seiner Mutter als Familienangehöriger mitgearbeitet. Denn er habe die Äpfel für sich selbst verwertet.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg: Das Sozialgericht Heilbronn hat (wie nunmehr feststeht:[nbsp]rechtskräftig) die LBG verpflichtet, den Sturz vom Apfelbaum als Arbeitsunfall anzuerkennen.[nbsp]Der Kläger sei als Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens beim Äpfelpflücken gesetzlich unfallversichert gewesen. Unternehmer zum Unfallzeitpunkt sei hier nicht die Mutter als Grundstückseigentümerin, sondern deren Sohn gewesen. Zwar habe die Mutter die Beiträge zur LBG entrichtet. Jedoch habe ihr Sohn das unternehmerische Risiko getragen, weil er die Grundstücke bewirtschaftet und die Apfelernte für sich selbst verwendet habe. Bei den bewirtschafteten Streuobstwiesen von rund 60 Ar handle es sich auch um keinen Kleingarten (ein solcher werde nicht automatisch von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst), sondern um einen landwirtschaftlichen Betrieb. Unerheblich sei darüber hinaus, dass der Kläger der LBG den Arbeitsunfall erst ein Dreivierteljahr nach dem Sturz angezeigt habe – also (erst) zu einem Zeitpunkt, als er die dauerhaften gesundheitlichen Folgen erkannt habe und ihm der mit der Anzeige eines Arbeitsunfalls einhergehende „Bürokratieaufwand“ lohnenswert erschienen sei.

Az.: S 6 U 3875/11X. ./. Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (Urteil vom 31. Oktober 2012, rechtskräftig).

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Hinweis zur Rechtslage:

§ 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch[nbsp][SGB VII] :

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2 (…) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. (…).

§ 2[nbsp]SGB VII:

(1) Kraft Gesetzes sind versichert (…) 5. Personen, die (…)

a) Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,

b) im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind, (…).

§123[nbsp]SGB VII:

(2) Landwirtschaftliche Unternehmen (…) sind nicht

1. Haus- und Ziergärten,

2. andere Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes (…)

§136[nbsp]SGB VII:

(3) Unternehmer ist

1. derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht, (…).

Die Anerkennung als Arbeitsunfall hat weitreichende Folgen:

So hat die zuständige Berufsgenossenschaft dem Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen u.a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme oder eine Umschulung) zu erbringen, Verletzten-/Übergangsgeld oder eine Verletztenrente zu zahlen.

Pressemitteilung des Sozialgerichtes Heilbronn vom 14.01.2013

Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Seitensprungagentur versagt

Die Stadtverwaltung Ludwigshafen hat gegenüber einem Bürger zu Recht eine Gewerbeuntersagung in Bezug auf die von ihm betriebene Seitensprungagentur ausgesprochen. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt mit Beschluss vom 21. Dezember 2012 entschieden.

Der Antragsteller betrieb seit Sommer 2012 in Ludwigshafen eine sog. Seitensprungagentur nebst Partnervermittlung. Dazu inserierte er u.a. in der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ mit Texten wie[nbsp][nbsp]„Neu 1. Seitensprungagentur diskret, seriös, erfolgreich, Superkontakte zu sexy Frauen“. Den Anrufern übergab der Antragsteller gegen Entgelt eine Liste mit den Telefonnummern von angeblich an Seitensprüngen oder einer näheren Beziehung interessierten Frauen. In der Folgezeit beschwerte sich eine Frau über zunehmende Belästigungen von Männern am Telefon; sie habe dem Antragsteller ihre Daten nicht zur Verfügung gestellt. Daraufhin traf sich ein Mitarbeiter der[nbsp]Stadt Ludwigshafen als vermeintlicher Interessent mit dem Antragsteller.Dieser bot dem Mitarbeiter gegen eine Gebühr von 150 € für die ersten 6 Monate und eine Folgegebühr von 75 € für das zweite Halbjahr an, regelmäßig „willige“ Frauen von 18 – 70 Jahren zu vermitteln. Der Antragsteller[nbsp][nbsp]übergab dem Mitarbeiter Unterlagen mit sog. „unverbindlichen Kontaktvorschlägen“, in denen u.a. Name, Herkunftsland, Haarfarbe, Figur, Oberweite, Beziehungsabsicht (locker oder fest, Wochenendbeziehung), finanzielle Forderungen sowie die jeweilige Telefonnummer der Damen aufgeführt waren. Nachdem sich der Mitarbeiter der Stadt Ludwigshafen als solcher zu erkennen gegeben hatte, räumte der Antragsteller ein, nicht im Besitz einer Gewerbeanmeldung zu sein.

Die Stadt Ludwigshafen holte in der Folgezeit Auskünfte über den Antragsteller aus dem Bundeszentralregister ein. Danach war dieser[nbsp]im Zeitraum 1997 – 2011 in 13 Fällen zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt worden. Daraufhin untersagte die[nbsp]Stadt Ludwigshafen dem Antragsteller wegen[nbsp]gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit[nbsp]die Ausübung der Seitensprungagentur und ordnete die sofortige Vollziehung an.

Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein und suchte um vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Neustadt mit der Begründung nach, die Verurteilungen in der Vergangenheit stünden nicht im Zusammenhang mit der von ihm betriebenen Seitensprungagentur und erlaubten keine negativen Rückschlüsse auf seine gewerberechtliche Zuverlässigkeit. Im Übrigen sei die von der Stadt Ludwigshafen angeführte Begründung, er gebe Telefonnummern ahnungsloser Frauen an seitensprungwillige Männer heraus, eine haltlose Behauptung.

Die Richter der 4. Kammer lehnten den Antrag des Antragstellers ab. Zur Begründung führten sie aus: Das[nbsp]bisherige Verhalten des Antragstellers lasse nicht erwarten, dass er sein Gewerbe in Zukunft im Einklang mit der Rechtsordnung betreiben werde.[nbsp]Mit der Seitensprungagentur betreibe er ein nach der Gewerbeordnung besonders überwachungsbedürftiges Gewerbe („Vermittlung von Eheschließungen, Partnerschaften und Bekanntschaften“).[nbsp]Die gewerbepolizeiliche Überwachung der davon erfassten Gewerbetreibenden habe vor allem den Schutz der Kunden zum Ziel. Daneben bestehe auch ein kriminalpräventiver Grund. Denn regelmäßig werde der Kunde langfristig an die Vermittlungsagentur gebunden und habe nicht unerhebliche Vorauszahlungen zu leisten. Dem stehe häufig eine nicht adäquate Dienstleistung gegenüber. Auch könnten die anfallenden Informationen aus der höchstpersönlichen Sphäre des Kunden missbräuchlich verwandt werden. Der Antragsteller sei in der Vergangenheit mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Im Bundeszentralregister fänden sich 13 Einträge. Zwar hätten die meisten Straftaten keinen Gewerbebezug. In ihrer Häufigkeit zeigten diese aber, dass der Antragsteller dazu neige, in strafbewehrter Weise die Rechtsordnung zu verletzen. Die dadurch sich aufdrängende Prognose eines künftig rechtswidrigen Verhaltens bei Ausübung des Gewerbes werde auch durch das bisherige gewerbliche Verhalten des Antragstellers bestätigt. So habe er sich nicht an die gesetzlichen Vorschriften gehalten und den Gewerbebetrieb erst angemeldet, nachdem er von Seiten der Stadt Ludwigshafen dazu aufgefordert worden sei. Aus den Akten ergebe sich ferner, dass der Antragsteller Telefonnummern von Damen an potentielle Kunden weitergegeben habe, die ihm diese nicht zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt hätten. Trotz seiner Ende November 2012 erfolgten Abmeldung führe der Antragsteller seinen Gewerbebetrieb tatsächlich weiter, denn am 12. Dezember 2012 habe sich eine Frau erneut bei der Stadt Ludwigshafen mit der Aussage gemeldet, dass sich der Antragsteller am Vortag wieder bei ihr gemeldet und nachgefragt habe, ob sie nicht bereit wäre, bei seiner Partnervermittlung auf 400 Euro-Basis als zu vermittelnde Dame an Herren, welche auf Partnersuche wären, arbeiten zu wollen.

Danach lasse der Gesamteindruck des bisherigen Verhaltens des Antragstellersallein den Schluss zu,[nbsp]dass bei ihm ein ausgeprägter Hang zur Missachtung der Rechtsordnung bestehe, der die Zuverlässigkeit für eine selbständige gewerbliche Betätigung in einem besondersüberwachungsbedürftigen Gewerbe[nbsp]ausschließe. Zur Vermeidung weiterer erheblicher Rechtsverstöße im Zusammenhang mit der Ausübung des konkreten Gewerbebetriebes sei es daher geboten, dem Antragsteller das Gewerbe zu untersagen.

Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.

Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 21. Dezember 2012

– 4 L 1021/12.NW –

Pressemitteilung des VG Neustadt vom 03.01.2013